"Die Kybernetik der POIW" bedient sich einer Sequenz von 90 Frames aus Propaganda-Material des DDR-Fernsehens (1968). Diese 90 Frames werden, ähnlich wie die Zellen zellulärer Automaten oder die verschiedenen Größen technischer Regelkreise durch einfache Schnittregeln und -folgen zu einem vernetzten Gitter ineinandergreifender Mechanismen verflochten,
....POIW : Simulation komplexer kybernetischer Systeme

...POIW : POlitik Im Westen No 8536 -Aktionen vor dem Springer-Haus in Essen- 14.04.1968
...POIW : die Zustandsentwicklung eines Autovergasers
...POIW : John Horton Conways Spiel um Leben und Tot auf einem zweidimensionalen Gitter
...POIW : lebendige Städte - Bewegung und Versorgung / das Ende der heiligen Blechkuh / Indien
...POIW : Mobilisierung körpereigener Kräfte statt Substitutionstherapie / mit dem Finger hören
...POIW : Mikrokokken nach Hausfrauenart
...POIW : der Sündenfall
...POIW : die Auferstehung des Datenfriedhofs / Wirtschaft und Gesellschaft
...POIW : der Kreislauf des Lebens in einer Räuber-Beutebeziehung / Heringe & Haie

Im Ausgangspunkt dieses Films war eine kleine, ca. 60 Sekunden lange Filmrolle des DDR-Fernsehens aus dem Jahre 1968, deren Beschriftung keinen Zweifel an der Form ihres Inhaltes zuließ:

"PoIW-No 8537 - Weiterer Bericht von dem Notstandsterror in Westdeutschland: Polizei knüppelt Demonstranten, 16.4.68, 21.45"

....wenn auch stumm, ein klassischer Propagandafilm im Stile des Kalten Krieges... mit Opfern und Tätern und noch mehr Opfern...

Durch die Unterteilung des Films in verschieden lange Sequenzen, und durch ein ständiges Wieder-holen, Hinzufügen und Unterbrechen wird die zeitliche Linearität und der Inhalt des Films neu rhythmisiert bzw. umgewertet. Erwartet man anfangs noch die inhaltliche Auflösung des Films in Form eines Opfers oder einer Ursache, so kehrt sich diese Erwartungshaltung im Laufe der Zeit um.
Jetzt ist es eine rein filmtechnische Spannung, mit der die nächste Sequenz als Fortführung der vorangegangenen Ausschnitte erwartet wird...

Die BK-FO-GUNX© beschäftigt sich seit geraumer Zeit im Bereich der Fernsehforschung. Sie versucht unter Berücksichtigung der mechanischen und psychologischen Eigenschaften des menschlichen Auges Bild- und Toninformationen mittels Komprimierung dahingehend zu abstrahieren, daß TV-Realitäten aufgehoben und neu definiert werden. Dieser Gedanke der Neudefinition ist die Grundlage für die Videoinstallation BILDKOMPRESSOR.

Jeder der 25 Bildkompressoren reproduziert dieselben 24 Stunden Fernsehen (ZDF vom 01.05.97), jedoch in unterschiedlichen Längen.

Das verwendete Filmmaterial dient metaphorisch als Archiv des Gesehenen, Gehörten und Empfun-denen; ein eigener Speicher mit persönlicher Zugriffsberechtigung. Mit unterschiedlichen Kameras und Aufnahmefrequenzen langzeitbelichtet und mit gleichbleibender Bildrate (25 Bilder pro Sekunde) übertragen, erfordert jeder Bildkompressor seine eigene Decodierung. Durch die Überlagerung von zeitlich versetzten Bildern verliert das einzelne Fernsehbild für „Außenstehende“ an Gewicht.
25 Bilder pro Sekunde ≠ 25 Bilder pro Sekunde.

Untersuchungsgegenstand von Black Box ist der Film in seiner Funktion als Schnittstelle zwischen Realität und ihrer Darstellung. Handelt es sich bei dieser Schnittstelle wirklich nur um eine berechenbare Funktion, oder existieren hier noch reflexive Unbekannte?

Während sich Black Box 1 mit der Frage nach den Grenzen des Films beschäftigt, geht es bei Black Box 2 um schwarzes Zelluloid in seiner Funktion als Nahtstelle und dramaturgisches Stilmittel, wie es in nahezu jedem Film zur Anwendung kommt.

Nach einigen Überlegungen und Berechnungen, z.B. der durchschnittlichen weltweiten Jahresschwarz-bildproduktion, drängte sich folgende elementare Frage in den Vordergrund: kann Schwarz selbständig existieren, oder wird es grundsätzlich nur durch seinen Kontext determiniert?

Als erster Versuch hierzu wurde in Black Box 2 der Schwarzanteil einiger internationaler Filmwerke isoliert, ohne dabei die Gesamtlänge der Vorlage zu verändern. Entstanden ist der Anfang einer Sammlung entbildeter Klassiker der Filmgeschichte.

Im Zeitalter der elektronischen Bildmedien besteht vorallem beim Fernsehen zunehmend Bedarf an Informationsselektierung. Bei steigendem Informationsangebot hat der Zuschauer, bedingt durch Behördengänge, Verkehrsstaus, gekürzte Feier- und Urlaubstage, verlängerte Ladenöffnungszeiten immer weniger Zeit, diese aufzunehmen und zu verarbeiten.

Die BK-FO-GUNX© beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit diesem Problem. Sie machte es sich zur Aufgabe, nach Möglichkeiten und Wegen zu suchen, den Fernsehtag für den TV-Zuschauer dahingehend zu komprimieren, daß er in der Lage ist, inner

halb eines Bruchteils seiner kostbaren Zeit, sämtliche von den Programmerstellern erdachten und gesendeten Informationen ohne Verlust aufzunehmen.

Als repräsentatives Beispiel der ausgiebigen Forschungsarbeit der BK-FO-GUNX© wird hier ein mit Bildkompressionen ein Kompressor vorgestellt, der in der Lage ist, einen 24-stündigen Sendetag (Bsp. ZDF vom 01.05.97) innerhalb von 144 Sekunden in Bild und Ton ohne Verlust darzustellen.

Auch wenn sich das hier vorgestellte Verfahren als stark gewöhnungsbedürftig erweist und sowohl vom Zuschauer als auch vom Fernsehmacher eine Umstellung seiner Wahrnehmung verlangt, so werden doch Wege aufgezeigt, die heute so zwingend erscheinende Informationsselektierung durch den Fernsehzuschauer überflüssig zu machen und Fernsehen wieder zu dem zu machen, was es einmal war: ein Freizeitvergnügen mit hohem Informationsgehalt.

Magnetic {eye) - Jerusalem / Found Tapes 01-03-2000 bis 20-06-2000 zeigt Jerusalem in einer kleinen Auswahl von Fragmenten auf den Straßen gefundener Magnetton- und Videobänder. Diese Fundstücke, deren Inhalt zum Zeitpunkt des Fundes unbekannt war, sind spontanen Videoaufnahmen des Fundortes gegenübergestellt.

Der Film hat nicht den Anspruch einer vollständigen topographischen Darstellung Jerusalems und entzieht sich mittels seiner strengen formalen Struktur einer politischen Wertung des neu aufgebrochenen Konflikts. Vielmehr geht es darum, die Stimmungen einer fragilen und gleichzeitig herben Stadt zu transportieren.George Robinson,
The Jewish Week, Tuesday, May 27, 2003


“Magnetic [eye] – Jerusalem,” on the other hand, presents the title city as almost too substantial. Krüger alternates footage he shot of the streets of Jerusalem — again, often deserted — with video and audio footage he found discarded on those same streets. Frequently the screen goes dark as we hear slightly distorted music, Arabic or Israeli. At other moments the image itself is distorted, broken-up in a dancing blur of black-and-white pixels like an Abstract Expressionist painting.
Krüger disclaims any political intent in the piece and it is relatively devoid of conventional comment on the Middle East (unless you count a scene in which he is hassled by the police for no apparent reason).
But the work is a vivid, often witty testimony to how ugly much of the city’s modern architecture appears and, for all its seeming abstractness, has a vigorous forward movement.
Taz-Berlin, 02. Juni, 2003


... eindringlich: ‚Magnetic (Eye)’, Krügers Momentaufnahmen von Jerusalem als “urban landscape”, ein Tagebuch aus Alltag und Architektur. Art in Motion, Katalog zum Filmfest
München, Juni 2002

... Magnetic (Eye) – Jerusalem’ liefert anhand von auf den Straßen von Jerusalem gefundenen Magnetton- und Videobändern eine persönliche Topografie einer Stadt im Alltag des Ausnahmezustands. So entsteht nicht nur ein Städteporträt der besonderen Art, sondern auch ein Video, das die Umgangsweise mit selbstproduzierten, privaten Aufnahmen und Bildern der Massenmedien neu zur Disposition stellt.

zwischen den filmdosen der letzten hochschulgenerationen fand ich einen kurzen 35mm-filmstreifen - 4 sekunden zeugniss des vor-vorgängers meines filmprofessors - Wolfgang Ramsbott. mit dem gerücht im kopf, daß ramsbott heute werbefilme in Hong Kong dreht, begann ich, mich mit dem material zu beschäftigen. am 27.11.99 unterbrach eine entdeckung meine arbeit - der vorliegende film ist das fragment eines fragmentes geblieben.
Die Quickie-Serie ist eine Serie von kurzen Clips, die verschiedene Beiträge der aktuellen Film- und Fernsehgeschichte zur Vorlage haben. Diese werden durch die Verwendung einer Super8-Lochkamera und der damit verbundenen Langzeitbelichtung vollständig auf ca. 1/60 ihrer bisherigen Länge komprimiert.

So entsteht eine kurzweilige Soap-Opera aus den "Highlights" der Fernseh- und Filmbranche.

No3: ...die logische Schlußfolgerung aus "Boogie Nights" & "Eine Hochzeit zum Verlieben"...

"Die Fernseher befanden sich in dunklen Zellen und davor standen Hunderte und warteten geduldig auf den Augenblick, in dem sie zum ersten Male fernsehen sollten. Unter ihnen wartete ich auch und wurde immer nervöser. Was ich 45 Jahre erdacht hatte, sollte ich nun erstmals wirklich sehen. Endlich war ich an der Reihe und ich trat ein - ein dunkles Tuch wird zur Seite geschoben, und nun sehe ich vor mir eine flimmernde Lichtfläche, auf der sich etwas bewegt. Es war nicht viel zu erkennen." (Paul Nipkow, anläßlich der 5. Deutschen Funkausstellung, 1928, Berlin)

Als der Techniker Paul Nipkow - 68-jährig - erstmals ein mittels seiner 40 Jahre zuvor erfundenen Lochscheibe übertragenes Fernsehbild sah, war es für ihn nichts weiter als ein zumindest unzulänglicher Versuch, "ein am Orte A befindliches Object an einen beliebig anderen Ort B" realitätsnah und wirklichkeitsgetreu "sichtbar zu machen." Alles was er sah, war ein grauschleiriges, lichtschwaches, diffuses Flimmern. Ein durch Unzulänglichkeiten der Technik verunglücktes abstrahiertes Abbild der Realität, daß mehr eine experimentelle, visuelle Erfahrung als ein zukünftiges Massenmedium zu sein schien.

Heute, nach unzähligen Fortschritten und Weiterentwicklungen der Technik ein unvorstellbares Ereignis. Das Fernsehen ist von der technisch unzulänglichen "Abstraktionsmaschine" zur technisch perfekten "Reproduktionsmaschine" einer universalen Realität geworden. Eine Maschine, die unter Ausnutzung der Trägheit des menschlichen Auges, Erlebnisse der Wirklichkeit simuliert und seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und Regeln bezüglich seiner Rezeption entwickelt hat. Fernsehen scheint heute genauso unverzichtbar wie das elektrische Licht oder der Omnibus; es ist ein nützliches Ding; es bietet Information, Spaß und Spannung. Es ist Nachrichtenpool, Zerstreuungskiste, Spielzeug und Lagerfeuer - aber eins ist es nicht mehr: Fetisch. Die Kiste ist nur noch Kiste - und kein Symbol, kein Mirakel und kein Zauberkasten mehr, der pausenlos Bilder produziert, auf die die Erinnerung keine Antwort findet.

Die Installation "COMPACTOR {The Machine}" ist eine Reminiszenz und Weiterentwicklung des Fernsehens zugleich. Während die räumliche Situation und der Aufbau an längst vergangene Tage des Fernsehens mit öffentlichen Fernsehstuben erinnern, bezieht sich die Programmstruktur auf die zukünftige Digitalisierung der Fernsehtechnik, in dem verschiedene Fernsehbeiträge jederzeit abrufbar sind.

Mittels unterschiedlicher, zeitlicher Komprimierung verliert das einzelne Fernsehbild durch seine Überlagerung mit zeitlich versetzten Bildern an Gewicht und beschreibt für jedes Fernsehgenre und jede Komprimierungsstufe ein neues "Gesamtbild", das den Bilderfundus des Zuschauers aufwirbeln läßt. Es erscheint wie eine Störung und ergibt nur dann einen Sinn, wenn es mit dem eigenen Speicher mit persönlicher Zugriffsberechtigung decodiert und in das Archiv des Gedächtnisses aufgenommen wird. Ein Mirakel mit persönlicher Zauberformel und möglicherweise ein archaisches Fernsehform-vokabular.

Drama, Strings And Horns Im Ausgangspunkt dieses Films war eine kleine, ca. 60 Sekunden lange Filmrolle des DDR-Fernsehens aus dem Jahre 1968, deren Beschriftung keinen Zweifel an der Form ihres Inhaltes zuließ:

"PoIW-No 8537 - Weiterer Bericht von dem Notstandsterror in Westdeutschland: Polizei knüppelt Demonstranten, 16.4.68, 21.45"

....wenn auch stumm, ein klassischer Propagandafilm im Stile des Kalten Krieges... mit Opfern und Tätern und noch mehr Opfern...

Durch die Unterteilung des Films in verschieden lange Sequenzen, und durch ein ständiges Wieder-holen, Hinzufügen und Unterbrechen wird die zeitliche Linearität und der Inhalt des Films neu rhythmisiert bzw. umgewertet. Erwartet man anfangs noch die inhaltliche Auflösung des Films in Form eines Opfers oder einer Ursache, so kehrt sich diese Erwartungshaltung im Laufe der Zeit um.
Jetzt ist es eine rein filmtechnische Spannung, mit der die nächste Sequenz als Fortführung der vorangegangenen Ausschnitte erwartet wird...

Ausstellungen / Aufführungen / Festivalbeteiligungen 1997 WWW-Projekt „SIXCON©“, transmediale-festival'97, Berlin 1997 Video-Installation „BILDKOMPRESSOR Labor“, Medienzentrum, Berlin 1997 Vorstellung der Forschungsarbeit der "BK-FO-GUNX©", Gasometer Oberhausen 1997 WWW-Projekt „SIXCON©“, foro artistico, Hannover 1998 Installation „BILDKOMPRESSORaum“, Gruppenausstellung "Parallelmontage", Kampnagel K3, Hamburg 1998 Video-Installation „BILDKOMPRESSOR 5M“, Impakt Festival for audiovisual arts, Utrecht, NL 1998 Video-Installation „BILDKOMPRESSOR iV-Installation“, 15. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, Kassel 1998 Installation "COMPACTOR {The Machine}", Dutch Electronic Art Festival (DEAF), V2 Rotterdam, NL 1998 Video-Installation "Black Box" (Pet-Magu), Gruppenausstellung "LUX", Berlin 2000 Video-Installation "POIW 8536", Gruppenausstellung "Parallelmontage II", Haus am Kleistpark, Berlin 2000 Präsentation von Videoarbeiten 1995 – 2000, Stiftung Museum Schloss Moyland 2000 Präsentation der POIW – Filme 1998 – 2000, Centre Pompidou, Paris, Frankreich 2001 Fotos / Installation "Magnetic Pictures & Tapes - Pope visit week", Gruppenausstellung "Nach", Berlin 2001 Video-Installation "Black Box 2.1" (Pet-Magu), Impakt Festival for audiovisual arts, Utrecht, Niederlande Installationen

1997/98 - Bildkompressor 1998 - Compactor {The Machine} 1998/99 - Black Box (pet magu®) 1999 - Beckersmühle
2000 - POIW 8536 2001 - Kompressor (k2) 2002 - Picts & Tapes - "Pope visit week" 2004 - Magnetic {eye) Berlin "A preview "

<--- PLEASE SELECT
Gunter Krüger / NIF-FO-GUNX1971-87 in Hennigsdorf b. Berlin,
1987-90
Lehre zum Facharbeiter für elektronische Bauelemente (kurz: FEB, da Ausbildung mit Abitur exakt: F(AB)-EB);
1990-1995
Studium Nachrichten- und Informationstechnik an der FHTW Berlin (kurz: Dipl. Ing. (FH) Na+In-Te);
1995-1997
Studium Visuelle Kommunikation;
1997
Wechsel zur Experimentellen Filmgestaltung / Mediengestaltung bei Prof. Heinz Emigholz (damit Verzicht auf den Titel (Dipl. Desgn.);
2000
Nica-Stipendium an der Bezalel Academy of Fine Art, Jerusalem;
2002
Abschluß;
2002-2003
Lehrbeauftragter an der UdK-Berlin (kurz: LA);
seit 2003 künstlerischer Mitarbeiter am Filminstitut der Universität der Künste Berlin (kurz: KM)


*lebt und arbeitet in Berlin

Film, Video: 1995 - ...vom Aufstehen 1995/96 - Schweigen 1996 - Rosa Elefant in Limonade 1996/97 - Skizzen 1997/98 - Bildkompressionen 1998 - Quickie 1998 - Drama, Strings and Horns 1999/2000 - 17A-Ramsbott 2000 - Die Kybernetik der POIW -V/2 2002 - Magnetic {eye) - Jerusalem